Aus drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade

Am 1. Januar 2017 ist das Pflegestärkungsgesetz II in Kraft getreten. Die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit orientierte sich bisher an den körperlichen Einschränkungen des Betroffenen sowie am Zeitaufwand, den beispielsweise ein pflegender Angehöriger für die Hilfe bei Körperpflege, Ernährung und Mobilität aufbringen muss. Nach den neuen Vorschriften erhalten auch Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen erstmals Leistungen. Als Referentin konnte die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) Penzberg für den Infoabend zum Thema „Pflegestärkungsgesetz 2017“ die Geschäftsführerin der Ökumenischen Sozialstation Oberland, Claudia Hörbrand, gewinnen.

Nach den bis zum Jahreswechsel 2016/2017 geltenden Bestimmungen orientierte sich die Einstufung pflegebedürftiger Menschen vor allem an ihren körperlichen Defiziten. „Dabei wurde die Einstufung in die Pflegestufen“, so Hörbrand, „oftmals nicht dem tatsächlichen Pflegebedarf gerecht.“ Künftig werden körperliche, geistige und psychische Beeinträchtigungen gleichermaßen in die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit einbezogen.

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Claudia Hörbrand informierte über das Pflegestärkungsgesetz II, welches seit 1. Januar 2017 in Kraft ist.

Aus den bisherigen drei Pflegestufen gibt es seit Jahresanfang fünf Pflegegrade, was eine differenzierte Einschätzung des benötigten Pflegeaufwandes ermöglicht. Die Pflegebedürftigkeit orientiert sich künftig nicht mehr an benötigten Pflegeminuten, sondern an den noch vorhandenen Fähigkeiten des Menschen – Maßstab für die Beurteilung ist damit der Grad der Selbstständigkeit. Außerdem werden bei der Begutachtung weitere Aspekte wie beispielsweise kommunikative Fähigkeiten oder die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit einbezogen.

„Pflegebedürftigkeit besteht seit 1. Januar 2017“, so der Vorsitzende des Leitungsteams der KAB Penzberg, Michael Schmatz, „grundsätzlich ab Pflegegrad 1.“ Gegenüber den Voraussetzungen für das Erreichen der bisherigen Pflegestufe I sind für die Erreichung des Pflegegrades 1 vielfach geringere Beeinträchtigungen ausschlaggebend.

Mit dem neuen Begutachtungsinstrument wird der Grad der Selbstständigkeit eines Pflegebedürftigen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bestimmt. Das geschieht anhand von sechs Lebensbereichen. Es werden dabei sämtliche pflegerelevante Kriterien berücksichtigt: körperlich, geistig, psychisch und sozial. Der Pflegebedürftige kann dadurch in den passenden Pflegegrad eingestuft werden.

Eine Besucherin der Veranstaltung wollte von Claudia Hörbrand wissen, ab wann man für einen Betroffenen eine Pflegeleistung beantragen soll. Ein Zeitpunkt könnte, so die Geschäftsführerin der Ökumenischen Sozialstation Oberland, z. B. die Entlassung nach einem längeren Krankenhausaufenthalt sein. Eine andere Besucherin wollte wissen, wo man sich beraten lassen kann, wenn man einen Pflegefall in der Familie hat. Ansprechpartner sind immer die Pflegekassen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen angesiedelt sind. Ein Besucher stellte fest, dass es in Penzberg keine Kurzzeitpflegeplätze gibt, wenn zu pflegende Angehörige einmal in den Urlaub gehen wollen. Hörbrand empfahl Angehörigen, sich rechtzeitig vor einem Urlaub um einen Kurzzeitpflegeplatz zu kümmern. Wartet man zu lange, könnte es eng werden.

Claudia Hörbrand appellierte an alle, sich in der Öffentlichkeit dafür einzusetzen, dass der Pflegeberuf eine noch stärkere Wertschätzung erhält. „Was nützen die schönsten Gesetze, wenn es niemanden gibt, der als Altenpfleger arbeiten will.“

Bild & Text: Michael Schmatz